Text und Grafik: H. Birkenheuer


6.   Römische Feldlager

Um vor Überraschungen geschützt zu sein, umgaben sich die Römer bei einer längeren Rast oder während einer nächtlichen Pause schon immer mit einem Annäherungshindernis. Soweit das Gelände es zuließ, gab es Vorgaben für eine Lagerumwehrung und eine Lagerplatzaufteilung. Aus den anfänglichen Erfahrungen einer Standortsicherung kristallisierte sich ein System heraus, das über Jahrhunderte verbessert wurde und sich bewährte.
Es gibt mehrere unterschiedlich erhaltene Beschreibungen über die Ausführung römischer Feldlager. Die älteste detaillierte Ausführung stammt von dem griechischen Historiker Publius Polybios (200 bis 120 v. Chr.). Er beschrieb in seinen HISTORIEN - Band 6 ein römisches Feldlager aus der Zeit der Republik. Eine weitere Schilderung gibt es von einem römischen Vermessungstechniker Hyginus Gromaticus - aus der trajanischen Zeit - ( 98 bis 117 n. Chr.) . Ein Unbekannter, Pseudo - Hygin genannt, - aus dem 3. Jahrhundert nach Chr. - hat die Lagerpraktiken zusammengefasst und in liber de munitionibus castrorum - niedergeschrieben.

Aufteilung eines römischen Feldlagers zur Zeit der Republik.

In der umfassten Fläche lagerten zwei Legionen mit ihren zugeordneten Hilfstruppen.



Die Aufzeichnung wurde erstellt nach den Angaben des Historikers Polybios aus den Historien-sechstes Buch 24/10


Aus den Schilderungen des Polybios entnimmt man, dass die einzelnen Truppengattungen in einem republikanischen Feldlager nach Vorgabe lagerten, ein System, das von den Römern in den folgenden Jahren immer wieder angewandt wurde. Erst mit der Heeresreform des Konsul C. Marius ( 156 bis 86 v. Chr. ) wurden die Kampftruppen neu formiert und das bis dahin angewendete Lagersystem verändert. Die bisherigen Kampftruppen , die HASTATI ( vorderste Linie ), die PRINCIPES ( mittlere Linie ) und die TRIARII ( hinterste Linie ) wurden einheitlich bewaffnet und als Centurien-Einheiten aufgestellt. Ihre ursprünglichen eigenen Lagerflächen wurden zusammen gefasst zu einer gemeinsamen STRIGA - einer Lagerfläche für zwei Centurien an einer gemeinsamen Gasse.

Auszug aus dem Polybios-Plan


Lagerflächen wärend der Republik

entspr. Polybios ( 200-120 v. Chr. )


Lagerflächen nach der Heeresreform

entspr. Hyginius Gromaticus ( 98-117 n. Chr.)

Nach der Einführung der neuen Heeresreform des Marius ( 107 v. Chr. ) wurde die Aufstellung der Zelte in den Feldlagern bis in die gesamte Kaiserzeit beibehalten. In der Beschreibung des Polybios gibt es keine detaillierten Angaben über die Aufstellung der Zelte auf den Lagerflächen. Erst durch die Aufzeichnungen des Pseudo Hygin sind Angaben über die Aufteilung der Lagerflächen bekannt geworden.

Von Hyginus Gromaticus ist bekannt, dass bei einem Standlager der 100 Fuß breite Lagerplatz der Infanteristen und Kavalleristen beibehalten wurde. Durch die Neuordnung und Gleichstellung der Fußtruppen wurden ihre bisherigen Lagerflächen zu einer gemeinsamen Striga von 250 Fuß Länge zusammengefasst. Bei den Kavalleristen blieb die Zeltanordnung und die ursprüngliche Lagerfläche von 100 mal 100 Fuß. Bei kurzfristigen Marschlagern gab es eingeschränkte Verhältnisse. Die Breiten und Längen der Lagerflächen waren durchschnittlich um 20 % geringer. Pseudo Hygin der im 3. Jahrhundert lebte berichtet von einem z. Zt. üblichen Marschlager dessen Breite nur 60 Fuß betrug.

Querschnitt durch eine Standlagerfläche ( Eine Striga entspr. Polybius ) *29
Grafik H. Birkenheuer

Ein Standlagerfläche hatte standartmäßig eine Breite von 100 Fuß. Auf ihr befanden sich zwei außenliegende 40 Fuß breite Lagerstreifen und eine 20 Fuß mittig liegende Lagergasse. Die 10 mal 10 Fuß großen Manschaftszelte wurden an einer gemeinsamen Giebellinie mit 2 Fuß Abstand aufgestellt. Das 16 mal 16 Fuß große Kommandantenzelt des Centurio stand am Kopf der Zeltreihe. An der Rückseite der nebeneinander gereihten Zelte mußte für die Verspannung und für einen erforderlichen Abflussgraben ein 3 Fuß breiter Bereich freigehalten werden, der sich auf 1 ½ Fuß reduzierte, wenn die Striga an einer Lagergasse platziert war. Die verbleibende Breite von 27 Fuß vor den Mannschaftszelten wurde aufgeteilt in einen 8 Fuß breiten Lagerplatz für Waffen und Gepäck. Die restliche 19 Fuß breite Fläche wurde genutzt als Stell- und Aufrüstfläche für das zugehörige Tragtier des jeweiligen CONTUBERNIUM ( Zeltgemeinschaft von 8 Legionären).
Realistische Proportionen auf einer Standlagerfläche
Grafik: H. Birkenheuer
Über fast vier Jahrhunderte wurde der Aufbau einer Striga als Platz für die Mannschaftszelte beibehalten. Lediglich die gemeinsame Gasse und der Stellplatz für das Auf- und Abrüsten wurde verkleinert.
Standlager entspr. Polybius - 1. Jahrhundert v. Chr.

Marschlager entspr. Hygenius Gromaticus 1. Jahrhundert n. Chr.

Marschlager entspr. Pheudo Hygin 3. Jahrhundert n. Chr.
Die unterschiedlichen Striga-Breiten
zu den unterschiedlichen Zeiten

Grafik: H. Birkenheuer

Die Kommandanten der Centurien-Einheiten hatten ihre Zeltplätze am Kopfende der Striga und kontrollierten so das Geschehen auf den zugeordneten Plätzen der Mannschaften, Knechte und Tragtiere. Aus den div. Ausgrabungen römischer Feldlager erkennt man aus den Resten der Lagerstellen, dass die Kommandanten schon immer ihren Platz am Kopfende einer Striga hatten.
An zwei Beispielen - im Lager Numantia in Spanien ,aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. und einem Feldlager aus dem 1. Jahrhundert zur Zeit der Germanenoffensive, das LagerAnreppen an der Lippe sind zu unterschiedlichen Zeiten die gleichen Vorgabe zu erkennen.


Lagerflächen im Feldlager Numantia

Aus der Zeit des Polybios


Lagerflächen im röm. Feldlager Anreppen

1. Jahrhunder n. Chr. zur Zeit der Germanenoffensive

Über eine Lagerplatzaufteilung der Kavalleristen in einem Feldlager gibt es keine Angaben. Eine plausiblen Deutung ergibt sich aus den Resten des in Spanien gefundenen römischen Lagers NUMANTIA. Dort erkennt man an der offenen Seite der Lagergasse größere Komplexe von Kommandantenunterkünften. Die anschließenden Gebäude dürften die Mannschaftsunterkünfte gewesen sein und im hinteren Teil standen die Pferde und Tragtiere. Man kann davon ausgehen, dass die römische Kavallerie in einfachen Feldlagern nach einem ähnlichen System mit ihren Lederzelten lagerten.


Lagerreste einer römischen Reitereinheit (Equites)

* Ausgrabungen aus dem Lager Numantia in Nordspanien

Es bleibt ungeklärt, wo die zugehörigen Knechte auf der Standlagerfläche kampierten und die Tragtiere standen. Wenn man für die Knechte einer Centurie, zwei weitere Zelte neben den Mannschaftszelten einplant, so reicht ein weiterer 16 Fuß breiter Streifen als Stellfläche für rund 30 Tragtiere und zwei Reitpferde aus. Der verbleibende Rest von 60 Fuß wurde in einem Standlager vor dem Kommandantenbereich als zusätzlicher Lagerplatz für Skorpione ( Pfeilgeschoßmaschienen) Tranportwagen und Versorgungsgüter für die Tragtiere und Pferde genutzt. Dieser 60 Fuß breite Streifen reichte in dieVia Secularis und verringerte die Aufmarschbreite zwischen Lagerumwehrung und den Mannschaftsunterkünften. *30)

Bei einem kurzgenutzten Marschlager mit reduzierter Lagerfläche entfällt die 60 Fuß breite Stellfläche vor dem Centuriozelt. Die Geräte und Wagen wurden auf der reduzirten Fläche verteilt. Es wurden nur 7 Zelte aufgestellt, weil ein Teil der Infanteristen während des Stillstandes am Lagerwall Wache standen. Bei der reduzierten Marschlagerfläche entfiel die übliche hintere Standfläche für Knechte und Tragtiere. Vor den Mannschaftszelten blieb der 8 Fuß breite Abstellplatz. Die Knechte schliefen während des kurzen Aufenthalts auf der üblichen 16 Fuß breiten Stellfläche bei den Tragtieren. Für das Antreten und Ausrücken der Legionöre blieben bei einer 80 Fuß breiten Striga eine 16 Fuß breite Lagergasse.


26* Publius Polybios - HISTORIEN / Band 6 -- Seite 37 - 44